Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Jazz Talks VI - Bugge Wesseltoft
Norweger mit eigenem Jazzland


Bugge Wesseltoft zählt zur Jazzprominenz Europas. Mit seiner «New Conception of Jazz», einem effektvollen Mix aus Electronica-Beats und kollektiver Jam-Session-Ausgelassenheit, feierte der quirlige Norweger weltweit Erfolge. Seit er sich einen Flügel leisten konnte, versenkt sich Wesseltoft am liebsten alleine in den Klang dieses Instruments. Im «Jazz Talk» äusserte sich der überzeugte Autodidakt skeptisch über die akademische Jazzausbildung. Bugge Wesseltoft zählt zur Jazzprominenz Europas. Mit seiner «New Conception of Jazz», einem effektvollen Mix aus Electronica-Beats und kollektiver Jam-Session-Ausgelassenheit, feierte der quirlige Norweger weltweit Erfolge. Seit er sich einen Flügel leisten konnte, versenkt sich Wesseltoft am liebsten alleine in den Klang dieses Instruments. Im «Jazz Talk» äusserte sich der überzeugte Autodidakt skeptisch über die akademische Jazzausbildung.



Jazz Talks
Mit der Gesprächsserie “Jazz Talks” lädt die Jazzabteilung der Hochschule Luzern ein zu facettenreichen Begegnungen mit profilierten Persönlichkeiten des Gegenwartsjazz. Die Gespräche drehen sich nicht nur um den Werdegang und das künstlerische Schaffen dieser Persönlichkeiten: Anhand von Tonbeispielen sollen auch persönliche musikalische Vorlieben diskutiert werden. Die Frage nach den Zukunftsperspektiven des Jazz soll ebenfalls aufs Tapet gebracht werden. Die Gespräche werden geführt von Tom Gsteiger, Journalist und Dozent für Jazzgeschichte.

Bugge Wesseltoft ist eine ehrliche Haut. So macht er keinen Hehl daraus, dass hinter dem grossspurigen Slogan «New Conception of Jazz», mit dem er seine Musik ab Mitte der 90er-Jahre anzupreisen pflegte, handfeste Marketing-Absichten standen. «Ich wollte Aufmerksamkeit erregen und eine neue Hörerschicht ansprechen. Damals war es für Musiker wie mich schwierig, aus Norwegen rauszukommen. Also mussten wir uns etwas überlegen.» Bugge Wesseltoft ist eine ehrliche Haut. So macht er keinen Hehl daraus, dass hinter dem grossspurigen Slogan «New Conception of Jazz», mit dem er seine Musik ab Mitte der 90er-Jahre anzupreisen pflegte, handfeste Marketing-Absichten standen. «Ich wollte Aufmerksamkeit erregen und eine neue Hörerschicht ansprechen. Damals war es für Musiker wie mich schwierig, aus Norwegen rauszukommen. Also mussten wir uns etwas überlegen.»

Wesseltoft verfolgte seine expansive Strategie hartnäckig und überliess fast nichts dem Zufall. So rief er mit Jazzland ein eigenes Label ins Leben. Jazzland wird zwar vom Grosskonzern Universal vertrieben, doch die Kontrolle über die Produktion liegt in den Händen von Wesseltoft, der nach der Devise «think global, act local» zu handeln scheint. Die Rechnung ging für Wesseltoft sozusagen in zweifacher Hinsicht auf. Mit seiner «New Conception of Jazz» avancierte der Keyboarder zu einem Top-Act auf grossen Festivals und in trendigen Clubs. Und das Label Jazzland darf als eine zentrale Stütze des norwegischen Jazzwunders gelten: Als Kontrapunkt zum skandinavischen Teil des Katalogs von ECM hat es die Wahrnehmung des nordischen Jazz in unseren Breitengraden massgeblich erweitert und damit auch verändert. Wesseltoft verfolgte seine expansive Strategie hartnäckig und überliess fast nichts dem Zufall. So rief er mit Jazzland ein eigenes Label ins Leben. Jazzland wird zwar vom Grosskonzern Universal vertrieben, doch die Kontrolle über die Produktion liegt in den Händen von Wesseltoft, der nach der Devise «think global, act local» zu handeln scheint. Die Rechnung ging für Wesseltoft sozusagen in zweifacher Hinsicht auf. Mit seiner «New Conception of Jazz» avancierte der Keyboarder zu einem Top-Act auf grossen Festivals und in trendigen Clubs. Und das Label Jazzland darf als eine zentrale Stütze des norwegischen Jazzwunders gelten: Als Kontrapunkt zum skandinavischen Teil des Katalogs von ECM hat es die Wahrnehmung des nordischen Jazz in unseren Breitengraden massgeblich erweitert und damit auch verändert.

Selbstverständlich entwickelte der 1964 geborene Wesseltoft seine «New Conception of Jazz» in erster Linie aus musikalischen Gründen. Rückblickend hält er fest: «Ich hatte das Gefühl, dass der Jazz sich nicht mehr weiterentwickelte; er wurde zu einer technisch brillanten, aber irgendwie sterilen und elitären Musik für Zahnärzte und Anwälte. Gleichzeitig wuchs meine Faszination für neue Formen elektronischer Musik.» Auf dem Electronica-Dancefloor wurde Wesseltoft von einer Energie erfasst, die aus den Jazzclubs längst verschwunden war. Die deutschen Formationen Kraftwerk und Tangerine Dream sowie die Pioniere des Detroit-Techno, Carl Craig und Jeff Mills, zählten zu den Ideenlieferanten von Wesseltoft, der eine Kombination von «statischen, repetitiven, beinahe “tribalen” Grooves» mit der «organischen Dynamik des akustischen Jazz» anstrebte (als Inspirationsquellen aus der Jazzecke nennt Wesseltoft u.a. Sun Ra, den späten Coltrane und das Mwandishi-Sextett von Herbie Hancock). Dabei ging es nicht um solistische Brillanz, sondern um das gemeinsame Kreieren langer Spannungsbögen im Jam-Session-Modus. Mit diversen Besetzungen spielte Wesseltoft seine «New Conception of Jazz» rund ein Jahrzehnt lang, in dieser Zeit gab es bloss zwei Proben, bei denen es darum ging, ein paar Bläserlinien einzustudieren - der Rest war improvisiert.

Die Improvisation macht für Wesseltoft die Essenz des Jazz aus, er ist davon überzeugt, dass improvisierte Musik genauso wertvoll sein kann wie bis ins hinterletzte Detail festgelegte Kompositionen. Als überzeugter Autodidakt zweifelt er daran, dass man Jazz an einer Schule lernen kann. So berichtet er von Kollegen, die durch die Ausbildung am Berklee College of Music zwar zu besseren Technikern geworden seien, aber an Persönlichkeit eingebüsst hätten. «Mit der akademischen Ausbildung wird der Jazz beinahe zu einer Form von klassischer Musik. Das finde ich seltsam», hält Wesseltoft fest. Nichtsdestotrotz kann er Jazzschulen etwas Positives abgewinnen: «Man lernt viele Leute kennen, mit denen man spielen kann.»

Wesseltofts eigene Entwicklung zum Jazzmusiker verlief nach der Methode «learning by doing». Durch seinen Vater, einen Jazzgitarristen, lernte er amerikanischen Jazz, Rhythm’n’Blues und Soul kennen: «Er hasste den Fjord-Jazz von Garbarek und Co. Den habe ich mit 14 oder 15 selbst entdeckt.» Als Teenager spielte Wesseltoft mit einer billigen Yamaha-Orgel in Rock-, Punk- und Fusion-Bands. Schliesslich bekam er die Chance, mit einer Reihe von Fjord-Jazz-Pionieren (Jan Garbarek, Arild Andersen, Jon Christensen) zu spielen. Wesseltoft erinnert sich: «Das war sehr schwierig für mich, ich musste kämpfen. Ich hatte zu wenig Respekt vor ihnen und wurde dafür bestraft. Einmal nahm ich an einer total langweiligen Probe mit dem Schlagzeuger Jon Christensen teil. Er klatschte ein bisschen in die Hände und ging jedes Stück kurz durch. Aber im Konzert entwickelte er von Anfang an eine verrückte Energie. Nach dreieinhalb Takten war ich verloren.» Der direkte Erfahrungsaustausch mit Meistern könne durch nichts ersetzt werden, ist Wesseltoft überzeugt und erinnert in diesem Zusammenhang an die vielen Musiker, die an der Seite von Miles Davis über sich selbst hinauswuchsen. So richtig in Gang kam Wesseltofts Karriere schliesslich 1993 durch einen Kompositionsauftrag für das Vossa-Jazzfestival. In diesem Jahr begann auch die äusserst fruchtbare Zusammenarbeit mit der charismatischen Sängerin Sidsel Endresen.

Trotz des grossen internationalen Erfolgs zog Wesseltoft 2006 einen Schlussstrich unter die ihm zu vertraut gewordene «New Conception of Jazz», um sich auf sein Solo-Projekt zu konzentrieren, das inzwischen auf zwei Alben dokumentiert ist und das bei Live-Auftritten mit Visuals ergänzt wird. «Ich konnte mir endlich einen Flügel leisten und wollte mich in den wunderbaren Klang dieses Instruments versenken», gibt Wesseltoft zu Protokoll. Der Norweger mutierte allerdings nicht zum Akustik-Puristen: Als Solist setzt er ebenfalls Elektronik ein, dosiert diese aber im Vergleich zu früher beinahe in homöopathischer Manier. Als Solokünstler zeigt sich Wesseltoft stärker von seiner nachdenklichen, kontemplativen Seite, was ihn nicht daran hindert, das eine oder andere Groove-Kabinettstückchen unter Zuhilfenahme von Live-Sampling hinzuzaubern. Für Wesseltoft ist Musik «eine positive Energie, die Menschen zusammenbringt.» Dass er nichts davon hält, den europäischen Jazz in simplifizierender Holzhammermanier (à la Stuart Nicholson) gegen den US-Jazz auszuspielen, beweist er mit seiner Antwort auf die Frage, welche Gruppe ihn zuletzt aus den Socken gehauen habe: Ohne Zögern fällt seine Wahl auf das New Yorker Trio Fieldwork, zu dem Steve Lehman (Sax), Vijay Iyer (Piano) und Tyshawn Sorey (Schlagzeug) gehören.

Web

Tom Gsteiger


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