Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Interview Ronan Guilfoyle


Der Irländer Ronan Guilfoyle spielt seit den frühen Achtziger Jahren Kontrabass. Zu seinen Lehrern zählten John Abercrombie, Dave Holland und Steve Coleman. Als Instrumentalist, Komponist und Musikpädagoge hat sich Guilfolye weit über Irland hinaus einen Namen gemacht. Er hat die Jazz-Abteilung am Newpark Music Centre in Dublin ins Leben gerufen, die als einzige Schule in Irland auf der tertiären Stufe eine Jazz-Ausbildung an bietet.

Ronan Guilfoyle liebt das Komponieren. Seit 1993 schreibt er auch für klassische Ensembles. Seine Spezialität ist das Verweben von komponierten und improvisierten Teilen. Er hat ebenso für Solisten wie für Kammerensembles oder grosse Orchester komponiert. Jazzer wie Dave Liebman, Kenny Wheeler, Keith Copeland, Simon Nabatov, Tom Rainey oder Sonny Fortune haben Stücke von ihm aufgeführt.

In den letzten zehn Jahren ist Guilfoyle als Rhythmik-Spezialist in der Improvisation bekannt geworden. Sein Buch Creative Rhythmic Concepts for Jazz Improvisation“ hat weltweit einen Standard gesetzt. Guilfoyle's Know How wird an zahlreichen Jazzschulen weltweit geschätzt. So unterrichtet er unter anderem auch am Berklee College of Music in Boston. Als Musiker war Ronan Guilfoyle letztes Jahr als Mitglied eines Samuel Beckett Projektes mit Christy Doran und Isa Wiss zu hören.

www.ronanguilfoyle.com

Das Jazz-Niveau ist sehr hoch hier

Ronan Guilfoyle ist einer der bekanntesten Jazzmusiker und Komponisten Irlands. Seit drei Jahren ist er Jurymitglied an der Jazz-Abteilung der MHS Luzern. Wir haben den sympathischen Musiker und Komponisten in der Jazzkantine getroffen.

Ronan Guilfoyle, als Experte für die Diplomprüfungen der Jazzabetilung an der MHS Luzern haben Sie während 3 Wochen fast jeden Tag Studierende beurteilt. Haben Sie nie gedacht, so jetzt reicht es?
Drei Wochen sind eine lange und intensive Zeit, aber es hat mir immer Spass gemacht. Es ist eine sehr interessante Arbeit.

Was ist Ihr Eindruck?
Die Studierenden in Luzern sind auf einem hohen Level. Sie sind technisch sehr gut, auch musikalisch und konzeptionell habe ich immer wieder Erfreuliches gehört. Wir hatten gute Diskussionen. Natürlich bin ich in einer speziellen Situation.

Inwiefern?
Ich komme von aussen, ich kenne die Studierenden nicht persönlich wie die Lehrer. Für mich ist die Leinwand bei jedem Diplomkonzert weiss. Ich weiss nicht, was auf mich zukommen könnte und bin unbelastet. Aber ich habe oft gestaunt, was für ein stilistisch breites Spektrum diese jungen Leute schon haben.

Sie kennen viele Jazz-Abteilungen weltweit, an denen sie immer wieder unterrichten. Welchen Stellenwert hat Luzern?
Die Jazzabteilung an der MHS Luzern ist mit Sicherheit eine der besseren Schulen. Die Studierenden haben einen hohen Level, es gibt eine gute Infrastruktur und ausgezeichnete Lehrpersonen. Von Anfang an ist mir die entspannte Atmosphäre zwischen den Lehrpersonen und den Studierenden aufgefallen. Es gibt nicht die Hierarchien zwischen denen, die alles besser können und jenen, die noch viel lernen müssen. Diese soziale Durchlässigkeit ist immer ein gutes Zeichen an einer Schule. Das trifft man längst nicht überall, aber sie ist definitiv eine Qualität.

Und sonst – was sind gute Lehrpersonen?
Die allermeisten Lehrer an der Jazzabteilung Luzern sind selber aktive Musiker. Sie wissen, wie es in der Praxis ist. Sie hatten die Nacht zuvor vielleicht selber einen Gig, und am nächsten Tag unterrichten sie. Sie lernen nicht, was die Studierenden tun sollen, sie machen es selber. Dadurch können sie authentische Informationen vermitteln. Das erklärt sicher auch zu einem guten Teil, warum an dieser Schule der zeitgenösssiche Puls so stark ist. Es lebt hier.

Sie erwähnten den hohen technischen Level der Studierenden in Luzern. Liegt das einzig an den guten Lehrpersonen?
Ich denke, das hat auch stark mit dem musikalischen Ausbildungssystem hier in der Schweiz zu tun. Im Vergleich etwa mit Irland ist die Grundausbildung für Kinder und Jugendlichen deutlich entwickelter und besser organisiert. Überhaupt: Wenn sich hier jemand für die Jazzabteilung bewirbt, ist er bereits auf einem höheren Niveau als in vielen andern Ländern.

Wie steht die Jazzabteilung Luzern von ihrem Programm her da?
Da gibt es nicht so radikale Unterschiede. Es gibt ein Modell von Jazzschulen, das weltweit ähnlich angewendet wird: Grundlage ist eine gute Basis an praktischen Informationen, die strukturiert weiter gegeben werden. Gleichzeitig erhält auch die Minderheit von Hochtalentierten genügend Herausforderungen. Von der groben Struktur her sind sich viele Jazzschulen gleich, im Detail der Ausformung gibt es Nuancen.

Sie haben am Newpark Music Center in Dublin eine Jazz-Abteilung gegründet, die sie musikalisch auch leiten. Was ist der Unterschied zur Schule in Luzern?
Infrastrukturmässig sind wir weniger gut ausgerüstet. (Lacht) Wir haben nicht in allen Ensemble-Räumen einen Flügel. Auch das technische Equipment wie die Verstärker oder die Schlagzeug-Sets werden bei uns weniger häufig erneuert. Wir erhalten keine staatlichen Gelder, sondern finanzieren uns ausschliesslich über Gebühren. Trotzdem bieten wir eine fundierte Bachelor-Ausbildung. Zur Zeit machen 60 Jazz-Studenten die vierjährige Ausbildung, jedes Jahr sind es mehr.

Haben Sie sich von Luzern inspirieren lassen?
Ja! Den Prüfungsmodus habe ich übernommen. Das zweistufige Modell mit dem Pflichtteil am Morgen und dem Diplomkonzert am Abend hat mich überzeugt. Am Vormittag spielen die Studierenden, was sie vorgesetzt bekommen. Das ergibt einen guten Eindruck ihrer Musikalität. Am Abend stellen sie dann ihr eigenes Projekt vor. Sie machen, was sie gerne haben. Das ergänzt sich hervorragend. Beide Teile sind aufschlussreich zum Verständnis eines Musikers, einer Musikerin. Der Unterscheid zwischen dem Vormittag und dem Abend ist manchmal sehr überraschend.

Gibt es weitere Bereiche, in denen Luzern und Dublin sich inspirieren?
Ich schätze den Austausch mit dem musikalischen Leiter Hämi Hämmerli und den Lehrern hier in Luzern. Es gibt an einer Schule oft ähnliche Probleme, etwa der Umgang mit Studierenden oder schulpolitische Fragen. Wir diskutieren verschiedene Lösungsansätze und hören, wie es die andern machen. Solche Feedbacks sind wertvoll und helfen, die Qualität zu verbessern.

Was fällt Ihnen auf bei einem Vergleich der Jazzszene in der Schweiz und in Irland?
Die Szene in Irland ist kleiner und nicht so gut entwickelt wie in der Schweiz. Staatliche Gelder gehen vorzugsweise in die Klassische Musik. Allerdings gibt es bei uns seit 1984 eine Besonderheit: Kunstschaffende sind für ihre Werke von den Steuern befreit. Zudem haben wir einen staatlich finanzierten Fonds für Künstler: Wer Mitglied ist, erhält eine begrenzte Menge an Beiträgen, die eine Art Existenzminimum ermöglichen. Aufgrund des wirtschaftlichen Booms in den letzten 10 bis 15 Jahren ist es inzwischen leichter geworden, für bestimmte Projekte Geld zu erhalten. Früher wurde man nur immer vertröstet.

Was sagen Sie als Musiker und musikalischer Leiter einer Jazz-Schule zu den beruflichen Chancen für Jazzstudierende?
Die Jazz-Ausbildung ist sehr praktisch und vielseitig angelegt. Das ist ein entscheidender Vorteil. Wer sich auf irgendeine Weise im weiten Feld der Musik verwirklichen will, hat eine wirklich umfassende und sehr gute Ausgangslage. Für klassisch ausgebildete Musiker ist es viel schwieriger. Sie sind viel eingeschränkter auf ihren Bereich. Jazz-Absolventen finden mit Sicherheit Jobs, da sie eine breite musikalische Palette intus haben. Zum andern ist eine Jazz-Ausbildung auch ästhetisch-philosophisch wertvoll: Junge Leute lernen, in Ensembles zusammen zu arbeiten und dennoch ihre Individualität zu entwickeln. Das sind wertvolle Erfahrungen, wie sie sonst in unserer Gesellschaft kaum mehr zu machen sind.

Pirmin Bossart, Journalist, Luzern



HOCHSCHULE LUZERN MUSIK, ABTEILUNG JAZZ, ZENTRALSTRASSE 18, CH-6003 LUZERN, SWITZERLAND
Phone: ++41-41-412 20 56 / Fax: ++41-41-412 20 57 / E-Mail: jazz@hslu.ch