Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Musik und Sprache spielerisch vernetzen


Susanne Abbuehl unterrichtet an der Jazz-Abteilung der MHS Luzern Gesang und Ensemble. Mit allen Studierenden der Gesangsklasse ging sie jetzt im Rahmen des Vokalensembles neue Wege zur Umsetzung von Sprache in Musik. Das in Koproduktion mit Radio DRS 2 entstandene «word by word» ist ein exemplarisches Fachhochschul-Projekt.


Interdisziplinäres Arbeiten, wie es an Fachhochschulen propagiert wird, ist in den «Performing Arts» wie Musik oder Theater eine Selbstverständlichkeit. Schon bei der einfachen Vertonung eines literarischen Textes werden unterschiedliche ästhetische Bereiche verbunden. Und bei der Aufführung kommenweitere Gestaltungsebenen hinzu: Das Setting auf der Bühne muss visuell gestaltet werden, die Bewegungen im Raum erfordern eine Choreografie und der Regisseur muss all diese Elemente in einen stimmigen Zusammenhang und Ablauf bringen. Vieles davon wird im Hörstück-Projekt «word by word» der Jazz-Abteilung der MHS Luzern exemplarisch umgesetzt. Da zeigt der thematische Ansatz, dass künstlerisches Arbeiten immer auch eine Art angewandte Forschung ist: Anhand von literarischen Texten erkundet die Vokalistin Susanne Abbuehl mit 12 Studierenden (10 Frauen, 2 Männer) verschiedene Möglichkeiten, wie Sprache in Musik umgesetzt werden kann.

Über kulturelle und stilistische Grenzen hinweg
Zudem wird der interdisziplinäre Aspekt durch eine ausserschulische Zusammenarbeit eingelöst, die der Kooperation anderer Fachhochschulen mit der Wirtschaft entspricht. Denn Regie führt Hörspielregisseur Claude Pierre Salmony von Radio DRS 2, das das Hörstück co-produziert und ausstrahlen wird.
Zwar sind am «word-by-word»-Projekt keine weiteren Fachhochschul-Lehrkräfte wie etwa Kompositions-Dozierende oder Anglisten beteiligt. Dafür überschreitet Abbuehl selber in ihrer Arbeit kulturelle und stilistische Grenzen. So studierte sie Jazz- sowie klassischen indischen Gesang, und auf ihrem bei ECM erschienenen Debüt-Album «April» sang sie auch Eigenkompositionen und eigene Texte. In «word byword» geht es um die Möglichkeiten, Sprache genau und bewusst in Musik umzusetzen. «Ausgangspunkt waren sowohl der Klang der Worte, die Bedeutung eines Textes wie auch musikalische Aspekte wie Bewegungen, Tempo oder Betonungen», sagt Abbuehl. Als Texte stellte sie Gedichte der amerikanischen Autoren Gertrude Stein und William Carlos Williams zur Auswahl, sowie englische Übersetzungen japanischer Tanka und Haiku-Poesie. «Ich fand da Gedichte vor, die einen formalen Rahmen vorgeben, der trotzdem viel Interpretationsfreiheit lässt.»

Didaktik und Kunst
Wie kann man mit einem didaktisch orientierten Projekt künstlerisch spannende Resultate erlangen? Abbuehl nennt als Beispiel die Beschränkung auf Gesangsstimmen: «Ich habe bewusst auf eine instrumentale Begleitung verzichtet, damit die Studierenden nach verschiedenen Rollenverteilungen innerhalb mehrerer Stimmen suchen mussten». Das führte zu verschiedenen Arten von vokaler Musik, vom Solo-Gesang bis zum auskomponierten 12-stimmigen Vokal-Ensemble. Einige Studierende verdeutlichten musikalische Aspekte der Texte, so das Prinzip der Wiederholung und Variation, mit dem Gertrude Steins Texte arbeiten. Anderen war es ein Anliegen, in der Musik die sprachlichen Zwischenräume zum Ausdruck zu bringen – das, was die Texte nicht aussprechen, aber suggerieren. Wieder andere fanden über eine improvisatorische Auseinandersetzung mit den Texten zu einer mehr oder weniger losen, elastischen Form.

So entstand ein breites Spektrum, von der direkten Umsetzung von Textstrophen in musikalische Refrains bis hin zum interaktiven Zusammenspiel zwischen einzelnen Stimmgruppen. Bei den Aufnahmen selbst wurden auch räumliche Wirkungen angestrebt. «Die grossen Ensemblestücke nahmen wir etwa in der Eingangshalle des Studios auf, weil dieses eine ganz andere Akustik als das Hörspielstudio hat», erzählt die Sängerin.
Das aufgenommene Material fügen Susanne Abbuehl und Claude Pierre Salmony im Studio zum eigentlichen Hörstück zusammen. Wichtiger als das Endprodukt ist vielleicht auch in diesem Projekt der Lernprozess. «word by word» ist an erster Stelle als Experiment gedacht: Suchen, festlegen, verwerfen, spielen, verbinden, entwickeln, vernetzen. «Ich hoffe, dass die Studierenden so Erfahrungen sammeln, die sie später vertiefen können. Beim Komponieren, im Radiostudio oder in der Arbeit mit Ensembles», so Abbuehl.

Urs Mattenberger (© FHZ Focus Okt. 2005)


Texte von:
James Joyce, William Carlos Williams, Gertrude Stein, Basho, Saigyo

Konzept und musikalische Leitung:
Susanne Abbuehl

Regie:
Claude Pierre Salmony & Susanne Abbuehl

Komposition & Gesang:
(Gesangsstudierende der Jazzabteilung der Musikhochschule Luzern)
Myrta Amstad
Winnie Brückner
Sarah Büchi
Tobias Degen
Nina Gutknecht
Stefanie Hauenstein
David Leherbauer
Karin Meier
Nina Salis
Veronika Stalder
Erika Stöckli
Taja Waibel
Isabelle Wiss

Produktion:
Radio DRS2 & Musikhochschule Luzern (Abteilung Jazz)

Sendetermin
Schweizer Radio DRS 2: Mittwoch 22. März, 20:00 Uhr

Presse
Radiomagazin 11/06: Vorschau (pdf)


Go In Green
Go in Green. Go in, case. Go in green.
Go in green. go in. in, go in green.
Go in green.
Go in green.

Text von Gertrude Stein als Ausgangsmaterial für Musik

As rays of moonlight stream
through a sudden gap
in the rain clouds –
if we could meet even
for so brief a moment!

Tanka von Saigyo (übersetzt von Burton Watson) als Ausgangsmaterial für Musik


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