Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

WIE WIRD AM RADIO ÜBER JAZZ UND IMPROVISATIONSMUSIK GESPROCHEN?


Eine Veranstaltungsreihe mit vier Referaten und einem Podiumsgespräch im Rahmen der Projektwoche Jazz der Musikhochschule Luzern

8. – 12. Dezember 2003

Ausgehend von einer Untersuchung zur Vermittlung von Jazz und improvisierter Musik am Radio, die 2001 von der Musikhochschule Luzern in Zusammenarbeit mit dem Schweizer Musik Syndikat (SMS), der Nationalen Vereinigung der Jazz- & improvisierenden MusikerInnen, in Auftrag gegeben worden ist, werden sprachliche, ästhetische und politische Themen rund um Jazz und improvisierte Musik aufgegriffen, unter die Lupe genommen und diskutiert. Die Sendegefässe des Radios und ihre Moderation werden ebenso zu reden geben wie die Präsenz schweizerischer Musik am Radio.

Programmation: Hermann Bühler, Musiker, Musikwissenschafter


PROGRAMM

Alle Veranstaltungen sind öffentlich und kostenlos - Flyer zum Download: pdf - 168KB

I. Referat 8.12 18.00-19.30 Aula Schulhaus Süesswinkel

Martin Hamburger:
Jazz und improvisierte Musik im Bild der Sprache

Martin Hamburger nähert sich von der Sprache her der Musik. Welche Begriffe und Eigenschaften werden mit Jazz und improvisierter Musik assoziiert? Welche Klischees verwendet? Martin Hamburger begibt sich auf eine Suche nach Sinnzusammenhängen und sprachlichen Bezügen und schöpft aus seinen Erfahrungen als Hörer und Mitwirkender an Musikprojekten.

Martin Hamburger lebt in Zürich und ist als Kabarettist und Autor bekannt geworden. Gründer des Kabarett Duck Dich“, Conrad-Ferdinand-Meyer-Preis für die Geschichtensammlung Meinen Sie mich?“, Dozent für Kommunikationstraining an der pädagogischen Hochschule Luzern.

II. Referat 9.12 18.00-19.30 Aula Schulhaus Süesswinkel

Theo Mäusli:
Swissness – Jazz und improvisierte Musik als Vermittlung von Schweizer Eigenart

Theo Mäusli nimmt die aktuellen Schlagworte Quoten und Swissness zum Anlass, eine provokatorische Brücke zu schlagen zwischen der patriotischen Debatte um den Jazz am Radio in der Geistigen Landesverteidigung und der Quotenforderung von heute. Das öffentliche Radio ist heute an den sogenannnten "Service publique" gebunden, der unterschiedliche Interessen einbindet und verwaltet. Die Auswahl der Musik ist dabei ein Faktor, wie die Hörer sich mit dem Sender identifizieren können. Theo Mäusli analysiert und diskutiert mentalitär die Einbindung von Jazz und improvisierter Musik im Umfeld der "Geistigen Landesverteidigung" der dreissiger Jahre des vorigen Jahrhunderts und der heutigen Forderung nach "einheimischer" Musik am Radio.

Theo Mäusli ist Autor der historischen Studie Jazz und Geistige Landesverteidigung“ und Verantwortlicher der Archive der Radio Televisione Svizzera (RTS).

III. Referat 10.12 18.00-19.30 Aula Schulhaus Süesswinkel

Peter Bürli:
Jazz am Radio – Produktion und Vermittlung

Das Radio befindet sich in Sachen Jazz im Schnittpunkt der verschiedensten Interessen. Das Publikum will auf jeden Fall gute Musik hören und vermittelt bekommen. Die Musikerinnen und Musiker möchten ihre Arbeit live oder im Studio dokumentieren und durch das Medium Radio ein grösseres Publikum erreichen.

Peter Bürli ist Redaktionsleiter Jazz bei Schweizer Radio DRS2. Er produziert jährlich etwa vierzig Aufnahmen im Studio und mindestens ebenso viele Live-Mitschnitte an Festivals und in Clubs und sorgt als Redaktor dafür, dass sie in den Äther gelangen.

III. Podiumsdiskussion 11.12 18.00-20.00 Jazzkantine

Öffnung des Radiomarkts - Auswirkung des neuen Radio und TV Gesetzes RTVG auf die Sendungen über Jazz und improvisierte Musik am Radio

Die Revision des Radio- und Fernsehgesetz wird bald im Parlament abschliessend behandelt. Es bringt eine weitgehende Öffnung des Radiomarkts unter Beibehaltung der zentralen Stellung von Radio DRS. Welche Auswirkungen hat das Gesetz auf die Bedürfnisse von MusikerInnen und HörerInnen? Wird das Gesetz auch die Qualität der Radiosendungen verändern? Können sich auch Privatradios moderierte Sendetypen leisten? Braucht es Quoten, damit schweizerische Musik einen Platz findet im internationalen Mainstream? Und wie könnte ein Werbeumfeld für kreative Musik aussehen? Diese und weitere Fragen werden im Gespräch aufgegriffen und mit folgenden Experten diskutiert:

v.l.n.r.
Marc Savary, Sekretär der Konferenz der Direktoren Radio DRS, Journalist
Jürg Solothurnmann, Redaktor Jazz Radio DRS
Urs Leierer, Werbefachmann, Organisator Blue Balls Festival Luzern
Urs Roellin, Präsident Schweizer Musik Syndikat SMS
Peter Scheurer, Geschäftleiter Radio32, Solothurn
Bruno Marty, , Geschäftsleiter Action Swiss Music, Pras. «ideé suisse - wir wollen taten hören»
Hansjürg Fehr, Nationalrat SP, Mitglied der Kommissionen für Verkehr und Fernmeldewesen
Leitung: Hermann Bühler, Musiker, Musikwissenschafter

V. Referat 12.12 18.00-19.30 Aula Schulhaus Süesswinkel

Kjell Keller:
Moderation und Sendungstypen - Kreative Wege zur Vermittlung von sogenannt schwieriger Musik.

Das Radio hat eine Reihe von spezifischen Formen zur Vermittlung von Musik, zumal von schwieriger‘, komplexer Musik entwickelt, etwa den Simultankommentar (Erläuterungen in die Musik hinein), oder den Vergleich von Interpretationen und Kompositionen. Im Radio bietet sich die Möglichkeit, verschiedene Zeiten übereinander zu schichten, Gemeinsamkeiten und Kontraste aufzudecken. Musik lässt sich sezieren und neu zusammensetzen. Freilich: radiophone Formen sind arbeitsintensiv. Heute fehlen allzu häufig Zeit und Geld, um diese spezifisch radiophonen Formen zu realisieren.
Kjell Keller zeigt diverse Modelle für die Vermittlung von neuer Musik und Musik aus nicht-europäischen Hochkulturen, u. a. am Beispiel von Musik des Komponisten Klaus Huber und klassisch-persischer Musik.

Der Musikwissenschafter Kjell Keller lebt in Biel. Er doktorierte mit einer Arbeit über den Komponisten Klaus Huber und ist seit 1976 Musikredaktor bei Schweizer Radio DRS2. Kjell Keller erhielt 1981 den Zürcher Radio-Preis für die Sendung Ohren-Spitzer‘. Lehraufträge an der Universität Bern und eigene Musikprojekte.

Orte & Adressen
Aula Schulhaus Süesswinkel: Süesswinkel 8, 6004 Luzern
Jazzkantine: Grabenstrasse 8, 6004 Luzern
Situationsplan hier!

Weitere Informationen
Telefon: +41 41 412 20 56
haemi.haemmerli@hslu.ch

Das Programm zum Ausdrucken: pdf - 168KB

Kurzfristige Programmänderungen vorbehalten


UNTERSUCHUNG ZUR VERMITTLUNG VON JAZZ UND IMPROVISIERTER MUSIK IN DEN MEDIEN AM BEISPIEL DER SENDEGEFÄSSE DER SRG/SSR

Die Studie des Schweizer Musik Syndikat und der Musikhochschule Luzern in einer kurzen Uebersicht:

Vor zwei Jahren veranlassten die Musikhochschule Luzern und das Schweizer MusikerInnen Syndikat eine Untersuchung, welche die Vermittlung von Jazz- und Improvisationsmusik in den Sendungen des Schweizer Radios (DRS, RSR, RSI) beleuchten sollte. Die Arbeit hatte den qualitativen Aspekt der Vermittlung zu prüfen und damit eine Ergänzung zur aktuellen Quotenfrage zu leisten. Die Untersuchung der Sendungen (Zeitraum Mai – August 2002) oblag MusikerInnen aus dem Kreis des SMS und Studierenden der MHS Luzern. Der hiezu geschaffene 'Leitfaden für Untersuchende' gab vor, welchen spezifischen Fragen -neben einer sorgfältigen Transskiption des Wortlauts- nachzugehen war.

Die Auswertung stellte die sprachliche Analyse des Kommentars in den Mittelpunkt. Jedes der insgesamt 19 Sendegefässe wurde nach ihm angemessenen Fragestellungen untersucht: Steht Sachkompetenz hinter den Kommentaren? Von welchen Kriterien geht die Wertung des Gehörten aus? Welche Formen von Lob und Kritik kommen zur Anwendung? Uebernimmt die Redaktion Bewertungsmuster aus der kommerziellen Branche? u.a.m. So entstand das Portrait jedes einzelnen Sendegefässes: von A wie 'Apéro' bis T wie 'Talking Jazz'. Eine wichtige und erfreuliche Feststellung war, dass Jazz und improvisierte Musik auf den Sendern der SRG breite Beachtung geniessen. DRS profiliert sich durch ein differenziertes System von Sendungen (11 Sendegefässe, 21 Sendungen), für RSR (1 SG mit 5 S) liegt beinahe alle Verantwortung bei einer Persönlichkeit, welche die Sendungen prägt, RSI (5 SG mit 16 S) bietet Sendegefässe mit kurzen Sendezeiten, aber hoher wöchentlicher Frequenz an.

Die Auswertung der untersuchten Sendungen brachte, kurz zusammengefasst, folgende Resultate: Die Vermittlung von Jazz und jene von Improvisationsmusik gehen grundsätzlich unterschiedliche Wege. Historische Formen des Jazz werden verwaltet (oft mit Akribie); improvisierte Musik wird eher befragt, manchmal zögerlich. Eine dritte Vermittlungsart ist die trendige Präsentation so genannt aktueller Musik, die sich mit wenig aussagekräftigen Formulierungen um Neuerscheinungen kümmert.

Manche Sendegefässe können sich inhaltlich kaum entwickeln. So steckt aus unserer Sicht der breit bekannte 'Apéro' in der Krise und muss sich in der Sparte 'Easy Listening' und 'Swing' immer häufiger zweitklassiger Generikas bedienen. In 'Talking Jazz' wirken die vorgegebenen Spielregeln eher einengend als förderlich.

Richtet man den Fokus auf CH-Musik, zeigt sich eine bevorzugte Behandlung zeitgenössischer, improvisierter Musik, insbesondere auch in deren Mediation durch Interviews mit MusikerInnen; auffällige Lücken bestehen andererseits in der Sparte 'Aktueller Mainstream', obwohl Schweizer Label gerade dieses Musikgenre reichlich anbieten.

Wie könnte sich die Vermittlung von Jazz und improvisierter Musik am Radio weiter entwickeln? Als exemplarisch wird u.a. die Sendung "Diskothek im Zwei" erachtet, die für klassische und zeitgenössische Musik konzipiert wurde. Die Vorzüge dieses Konzepts könnten durchaus auch für Jazz und improvisierte Musik genutzt werden. Musikschaffende und ExpertInnen widmen sich abseits kommerzieller Gedankengänge detailliert der Musik und bringen in der Diskussion objektive Gegebenheiten mit subjektiven Eindrücken in Einklang. Eine solche Sendung würde den Diskurs über Jazz und improvisierte Musik vielfältiger gestalten und sie würde von HörerInnen gewiss als spannender Prozess wahrgenommen.

Fredi Lüscher, Projektleiter

(Die vollständige Untersuchung wird im Frühjahr 2004 publiziert. Nähere Angaben unter www.jsl.ch)


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