Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Pop gehört zur Musikausbildung


Pop und Rock fliesst vermehrt in die Ausbildung aller Profile

Bewegt sich erfolgreich auch als Schlagzeuger im Popbereich: MHS-Luzern-Absolvent Rafi Woll.
Foto: Oliver Gutfleisch


Von der MHS Luzern in die Popwelt
Diverse Diplomierte der Musikhochschule Luzern betätigen sich heute zumindest teilweise auch in der Pop- und Rockszene. Prominentestes Beispiel ist Adrian Stern, der bei Sony-BMG unter Vertrag steht und sich nach diversen Preisen – u.a. Prix Walo – auch schon weit oben in der Schweizer Hitparade wiederfand. Neben Rafi Woll (u.a. William White) bewegen sich zum Beispiel folgende Musiker auch erfolgreich in der Pop-Szene: der Schlagzeuger Chrigel Bossart (u.a. Lunik), der Keyboarder Ephrem Lüchinger (diverse Elektronikprojekte), der Schlagzeuger Christian Niederer (u.a. Funky Brotherhood), Gitarrist Sascha Leuenberger (u.a. The Shell), die Sängerin Anette Zemp (u.a. Moë) oder die beiden heutigen MHS-Dozenten Wolfgang Zwiauer (u.a. diverse Pop-Studiojobs) und Fabian Kurattli (Shirley Grimes u.a.).

Im Musikunterricht auf den verschiedensten Stufen wird von den Lehrkräften heute zunehmend auch Know-how in Sachen Pop und Rock erwartet. Die MHS Luzern trägt dem in der Ausbildung Rechnung. In Zukunft noch stärker als heute.

Von Michael Zollinger

Der Luzerner Schlagzeuger Rafi Woll, der sein Diplom vor bald zehn Jahren an der MHS Luzern erhielt, ist kein Einzelfall. Bevor er seine Ausbildung an der damaligen Fakultät III (heute Abteilung Jazz) in Angriff nahm, trommelte er in verschiedenen Rock- und Hardrockbands. Heute betätigt sich der 35-jährige als Schlagzeuger grossmehrheitlich im Popbereich. Aktuell spielt er etwa in der Band des R’n’B-Sängers William White und begleitete in den letzten Jahren Künstlerinnen und Künstler wie Reto Burrell, Betty Legler, Michael von der Heide, Kisha oder den Popsänger Ivo, unter anderem im Vorprogramm von Shakira. Zudem arbeitet er regelmässig mit dem Sänger und Gitarristen Adrian Stern zusammen, einem weiteren Luzerner Jazz-Absolventen, der sich erfolgreich in der CH-Pop-Szene etabliert hat. Woll ist im Rückblick überzeugt davon, dass er auch hinsichtlich seiner heutigen Tätigkeit von der durchlaufenen Ausbildung profitiert hat. «Grundsätzlich verdanke ich der Schule das musikalische Wissen, ein sicheres Gefühl auf dem Instrument und die analytischen Fähigkeiten, die mir als Freelancer sehr viel bringen», sagt Woll. Als Schlagzeuger könne er sich dadurch schnell in Projekte einarbeiten, sich über sein Instrument hinaus einbringen und diese aktiv mitgestalten, was auch seiner Persönlichkeit entspreche.
«So wie Rafi Woll, geht es vielen», sagt Hämi Hämmerli, Abteilungsleiter Jazz, «sie kommen aus dem Popbereich und sind nach dem Abschluss, zumindest, teilweise wieder in dieser Sparte tätig. Wer heute unsere Abteilung durchläuft, kann sich als Freelancer in Pop-Projekten bewegen. Man lernt Blattlesen, Pianisten haben die Möglichkeit, auch Keyboard zu wählen, man kann Computerkurse besuchen und lernt das Nötige über Arrangements, das einem auch im Pop hilft.» Dazu kommen diverse Workshop-Möglichkeiten, die über den Jazz im klassischen Sinn hinausgehen, sei dies World, Latin, afrikanische oder Volksmusik. Hämmerli plädiert in diesem Zusammenhang im Sinne einer Klärung für eine Neudefinition des Begriffs Jazz: «Was heisst heute schon Jazz? Im Endeffekt geht es um pulsbezogene Musik, um Time Music. Dazu kommen Improvisation, Neugierde, Risikobereitschaft und der Akt, musikalisches Material neu zu bearbeiten. Daraus kann dann Volks-, Tanzmusik, Pop oder Jazz entstehen», erläutert Hämmerli. Ob Madonna oder Charlie Parker, beim Diplomkonzert bleibt schliesslich entscheidend, dass das Material in der einen oder anderen Form behandelt wurde.

Pop ist Thema in der Schulmusik

Auch in der Schulmusik ist Pop und Rock an der MHS Luzern bereits heute ein Thema. Seit Herbst 2005 sind zwei Semester so genanntes Bandinstrument – sprich E-Bass, E-Gitarre, Schlagzeug oder Keyboard. –, fester Bestandteil dieser Ausbildung. Konkret bedeutet das, dass ein klassischer Pianist zum Beispiel E-Gitarre wählt und zusätzlich entsprechende Pop-Workshops besucht. Walter Hess, Abteilungsleiter Pädagogik, formuliert den Sinn der Übung so: «Ziel ist es, dass die Absolvierenden dadurch imstande sind, später an einem Gymnasium auch eine Rockband zu leiten. Um zu wissen, was ein Rockdrummer können muss, braucht es diese Banderfahrung. So sollen Schwellenängste abgebaut werden. An den Kantonsschulen soll es nicht mehr immer nur Kammerorchester- oder Bigband-Projekte geben.» Für Hess geht es darum, die Schulmusik konsequent zu öffnen. Dieser Prozess ist in vollem Gange. So gehört etwa neu auch ein Semester zum Thema Musical mit Dozent Guido Zimmermann zur Ausbildung. Weil im Gegenzug in der Schulmusik die Jazz-Ausgebildeten noch stark untervertreten sind, hat man den Zugang neu geregelt. Nach dem dreijährigen Bachelor mit Profil Klassik oder Jazz, werden sich die Studierenden künftig gleichwertig für einen Master Schulmusik einschreiben können. Diese Neuerung ist gemäss Hämmerli «revolutionär. So bringen wir alle Schulmusikerinnen und -musiker auf einen gewissen künstlerisch, kreativen Stand.» Das gab es bislang in der Tat nicht und damit wird sich der Markt der Schulmusik neu für die Jazzerinnen und Jazzer öffnen, womit diese eine valable Alternative zum Instrumentalunterricht erhalten.

Immer mehr profilübergreifende Module an der MHS

Auch beim Lehrdiplom Profil Klassik arbeitet man zurzeit an einer Öffnung gegenüber anderen Stilen, wie Walter Hess bestätigt. «Die Themen Pop und Rock müssen und werden auch in die neuen Masterlehrgänge einfliessen und dort vertieft werden.» Hess wünscht sich für die Zukunft sogar, dass alle Studierenden ein Semester Unterricht an einer anderen Abteilung absolvieren würden – etwa mit einem Varianteninstrument. Zwar ist das noch Zukunftsmusik und nicht entschieden, aber sicher nicht abwegig, ist die MHS Luzern doch bereits heute jene Schweizer Musikhochschule, deren Klassik- und Jazzabteilung am meisten Berührungspunkte zueinander aufweisen. Schon heute werden diverse profilübergreifende Module durchgeführt, deren Zahl sicher noch weiter zunehmen wird. «Das ist eindeutig ein Bedürfnis unserer Absolvierenden, aber auch der Institutionen, in denen unsere Diplomierten dereinst tätig sein werden», sagt Hess. Und doch legt der Pädagogik-Verantwortliche Wert auf die Feststellung, dass sein Ziel nicht Musiklehrende sind, die von allem eine Ahnung haben und von nichts eine Richtige. «Wir möchten nach wie vor primär Künstlerinnen und Künstler ausbilden, ob im klassischen oder im Jazzbereich. Aber denjenigen, die freie Kapazitäten haben, möchte ich gerne auch das Andere ermöglichen. In der Schulmusik ist die Breite unabdingbar», ist Hess überzeugt.
Hämi Hämmerlis Ziel bleibt, abgesehen von der musikalischen und instrumentalen Ausbildung, künftig noch verstärkt, die Kreativität der jungen Musikerinnen und Musiker zu fördern. «Die eigene musikalische Persönlichkeit soll noch früher als jetzt ein Thema sein und von den Absolvierenden auch gezielt im Rahmen einer Art Minidiplomkonzerte eingefordert werden», sagt Hämmerli.

Ist Pop lernbar?

Ob Schulmusik, Lehrdiplom oder Performance: Fest steht, dass Pop und Rock an der MHS Luzern in den kommenden Jahren eine noch wichtigere Rolle spielen wird. Für Hämmerli bleibt ein offen deklariertes Pop-Diplom heikel, weshalb er sich ein solches in Luzern auch nicht vorstellen kann. «Zu 50% geht es dabei doch um ein Konzept und um Business. Im Pop steht in der Regel eine Bandidee im Vordergrund. Die Kreativität besteht vor allem darin, eine Show zu erarbeiten. Im Jazz dagegen ist die individuelle Kreativität mehr gefragt. Im Idealfall ist man unersetzbar und Jazzer versuchen jeden Abend, die Welt neu zu erfinden», bringt es Hämmerli auf den Punkt.
Auch Rafi Woll – «der Popschlagzeuger» –, der daneben aber zum Beispiel auch regelmässig mit George Gruntz arbeitet, betont die Problematik, Pop an einer Schule zu lernen: «Die innovativsten Projekte in diesem Bereich kommen auch in der Schweiz heute von den ganz jungen Unverbildeten.» Was er zum Beispiel im Rahmen seiner Ausbildung in Luzern vermisste, sind banale Dinge. Zumindest tönt es auf Anhieb so, wenn Woll ein konkretes Beispiel nennt: «Man macht zwar intensives Ear Training, aber eine Melodie dreimal hören und darauf sofort spielen zu können, haben viele nicht gelernt», meint er.



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