Pop und Rock fliesst vermehrt in die Ausbildung aller Profile
Bewegt sich erfolgreich auch als Schlagzeuger im Popbereich: MHS-Luzern-Absolvent Rafi Woll.
Von der MHS Luzern in die Popwelt |
Im Musikunterricht auf den verschiedensten Stufen wird von den Lehrkräften heute zunehmend auch Know-how in Sachen Pop und Rock erwartet. Die MHS Luzern trägt dem in der Ausbildung Rechnung. In Zukunft noch stärker als heute. Von Michael Zollinger Der Luzerner Schlagzeuger Rafi Woll, der sein Diplom vor bald zehn Jahren an der MHS Luzern erhielt, ist kein Einzelfall. Bevor er seine Ausbildung an der damaligen Fakultät III (heute Abteilung Jazz) in Angriff nahm, trommelte er in verschiedenen Rock- und Hardrockbands. Heute betätigt sich der 35-jährige als Schlagzeuger grossmehrheitlich im Popbereich. Aktuell spielt er etwa in der Band des R’n’B-Sängers William White und begleitete in den letzten Jahren Künstlerinnen und Künstler wie Reto Burrell, Betty Legler, Michael von der Heide, Kisha oder den Popsänger Ivo, unter anderem im Vorprogramm von Shakira. Zudem arbeitet er regelmässig mit dem Sänger und Gitarristen Adrian Stern zusammen, einem weiteren Luzerner Jazz-Absolventen, der sich erfolgreich in der CH-Pop-Szene etabliert hat. Woll ist im Rückblick überzeugt davon, dass er auch hinsichtlich seiner heutigen Tätigkeit von der durchlaufenen Ausbildung profitiert hat. «Grundsätzlich verdanke ich der Schule das musikalische Wissen, ein sicheres Gefühl auf dem Instrument und die analytischen Fähigkeiten, die mir als Freelancer sehr viel bringen», sagt Woll. Als Schlagzeuger könne er sich dadurch schnell in Projekte einarbeiten, sich über sein Instrument hinaus einbringen und diese aktiv mitgestalten, was auch seiner Persönlichkeit entspreche. Pop ist Thema in der Schulmusik Auch in der Schulmusik ist Pop und Rock an der MHS Luzern bereits heute ein Thema. Seit Herbst 2005 sind zwei Semester so genanntes Bandinstrument – sprich E-Bass, E-Gitarre, Schlagzeug oder Keyboard. –, fester Bestandteil dieser Ausbildung. Konkret bedeutet das, dass ein klassischer Pianist zum Beispiel E-Gitarre wählt und zusätzlich entsprechende Pop-Workshops besucht. Walter Hess, Abteilungsleiter Pädagogik, formuliert den Sinn der Übung so: «Ziel ist es, dass die Absolvierenden dadurch imstande sind, später an einem Gymnasium auch eine Rockband zu leiten. Um zu wissen, was ein Rockdrummer können muss, braucht es diese Banderfahrung. So sollen Schwellenängste abgebaut werden. An den Kantonsschulen soll es nicht mehr immer nur Kammerorchester- oder Bigband-Projekte geben.» Für Hess geht es darum, die Schulmusik konsequent zu öffnen. Dieser Prozess ist in vollem Gange. So gehört etwa neu auch ein Semester zum Thema Musical mit Dozent Guido Zimmermann zur Ausbildung. Weil im Gegenzug in der Schulmusik die Jazz-Ausgebildeten noch stark untervertreten sind, hat man den Zugang neu geregelt. Nach dem dreijährigen Bachelor mit Profil Klassik oder Jazz, werden sich die Studierenden künftig gleichwertig für einen Master Schulmusik einschreiben können. Diese Neuerung ist gemäss Hämmerli «revolutionär. So bringen wir alle Schulmusikerinnen und -musiker auf einen gewissen künstlerisch, kreativen Stand.» Das gab es bislang in der Tat nicht und damit wird sich der Markt der Schulmusik neu für die Jazzerinnen und Jazzer öffnen, womit diese eine valable Alternative zum Instrumentalunterricht erhalten. Immer mehr profilübergreifende Module an der MHS Auch beim Lehrdiplom Profil Klassik arbeitet man zurzeit an einer Öffnung gegenüber anderen Stilen, wie Walter Hess bestätigt. «Die Themen Pop und Rock müssen und werden auch in die neuen Masterlehrgänge einfliessen und dort vertieft werden.» Hess wünscht sich für die Zukunft sogar, dass alle Studierenden ein Semester Unterricht an einer anderen Abteilung absolvieren würden – etwa mit einem Varianteninstrument. Zwar ist das noch Zukunftsmusik und nicht entschieden, aber sicher nicht abwegig, ist die MHS Luzern doch bereits heute jene Schweizer Musikhochschule, deren Klassik- und Jazzabteilung am meisten Berührungspunkte zueinander aufweisen. Schon heute werden diverse profilübergreifende Module durchgeführt, deren Zahl sicher noch weiter zunehmen wird. «Das ist eindeutig ein Bedürfnis unserer Absolvierenden, aber auch der Institutionen, in denen unsere Diplomierten dereinst tätig sein werden», sagt Hess. Und doch legt der Pädagogik-Verantwortliche Wert auf die Feststellung, dass sein Ziel nicht Musiklehrende sind, die von allem eine Ahnung haben und von nichts eine Richtige. «Wir möchten nach wie vor primär Künstlerinnen und Künstler ausbilden, ob im klassischen oder im Jazzbereich. Aber denjenigen, die freie Kapazitäten haben, möchte ich gerne auch das Andere ermöglichen. In der Schulmusik ist die Breite unabdingbar», ist Hess überzeugt. Ist Pop lernbar? Ob Schulmusik, Lehrdiplom oder Performance: Fest steht, dass Pop und Rock an der MHS Luzern in den kommenden Jahren eine noch wichtigere Rolle spielen wird. Für Hämmerli bleibt ein offen deklariertes Pop-Diplom heikel, weshalb er sich ein solches in Luzern auch nicht vorstellen kann. «Zu 50% geht es dabei doch um ein Konzept und um Business. Im Pop steht in der Regel eine Bandidee im Vordergrund. Die Kreativität besteht vor allem darin, eine Show zu erarbeiten. Im Jazz dagegen ist die individuelle Kreativität mehr gefragt. Im Idealfall ist man unersetzbar und Jazzer versuchen jeden Abend, die Welt neu zu erfinden», bringt es Hämmerli auf den Punkt. |