Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Heiri Känzig: Die Vielseitigkeit als musikalische Heimat!


(Ein Portrait)

Heiri Känzig ist in New York geboren und lebt heute mit seiner Familie in Meilen (ZH). Er gehört zu den wenigen europäischen Jazzmusikern, die auch auf amerikanischen Major Labels zu hören sind. Seine Studien brachten ihn an die Musikhochschulen von Graz und Wien sowie ans Konservatorium Zürich , wo Harald Friedrich sein Lehrer war. Die zahlreichen Verpflichtungen ermöglichten es ihm, an allen wichtigen europäischen Festivals auf der Bühne zu stehen, sei es als Leader eigener Formationen oder Projekte, sei es als geschätzter Sideman in Ensembles und Orchestern. Bemerkenswert insbesondere seine jahrelange Mitarbeit im Vienna Art Orchestra, die auf zahlreichen CD‘s dokumentiert ist. Neben seiner vielfältigen Konzert- und Aufnahmetätigkeit ist Heiri Känzig Dozent für Kontrabass, Elektrobass und Ensemble an der Fakultät 3 der Musikhochschule Luzern.

Tipps aus der weitläufigen Diskographie
als Sideman: "Thierry Lang" Thierry Lang Trio, Blue Note - "Insula Dulcamare" Dominique Pifarely, Nocturne - "A plus tard" Orchestre National de Jazz, Label bleu - "The 20th anniversary" Vienna Art Orchestra, Verve - "Immagini e percorsi" Pontiggia, Cholet, Ker Ourio, Altrisuoni
als Leader: "Awakening" Känzig, Mariano, Lang, Golino, Bellaphon - "Ethno netto" Känzig, Michel, Draeger, Kapilidis, Rast, Plainisphare - "Grace of Gravity" Känzig, Mariano, Lang, Golino, Plainisphare

Kaum eine(r) der Unterrichtenden an der Fakultät 3 der MHS Luzern wird über einen so breiten musikalischen Erfahrungshintergrund verfügen wie der Kontrabassist, Bandleader und Komponist Heiri Känzig. Da sind die verschiedensten Dreierkombinationen möglich: Von Betty Carter über Nena zu Lauren Newton, von Art Farmer über Franco Ambrosetti zu Claudio Pontiggia, von Andreas Vollenweider über Wolfgang Puschnig zu Hans Kennel, vom Orchestre National de Jazz über das Collegium Novum zum Vienna Art Orchestra. Im Curriculum heisst es dazu bescheiden: "Heiri Känzig arbeitet im In- und Ausland als ‘freelance musician‘ mit grossartigen und stilistisch verschiedenen Musikern zusammen".

Heiri Känzig kennt deshalb die Freuden und Leiden des schillernden Musikeralltags. Die über 50 kg schwere Kiste für den Transport des Kontrabass auf Flugreisen findet er ebenso grässlich wie notwendig. Und einem sinnvollen Diktat der musikalischen Leiter beugt er sich gerne, nicht zuletzt bei der Frage, ob akustischer oder elektrischer Bass zu spielen sei. Doch hat sich seit den Gründerjahren des Jazz die Rolle des Bassisten deutlich verändert. Er galt früher als selten adäquat verstärkt und deshalb kaum hörbar, ausserdem irgendwo im Hintergrund der Band platziert, verdeckt von einer Reihe Solisten, kurz: eher Statist als Solist. Klar, dass diese Wahrnehmung von aussen der eigentlichen Bedeutung des Bassisten in der Band in keiner Weise gerecht wurde. Aber darüber wäre ein anderer langer Text zu schreiben. "Ausserdem", meint Heiri Känzig, "ist es im Konzert wichtig, dass die Leute sehen, was sie hören. Was einsichtig ist, ist auch Teil der musikalischen Wirkung."

Obwohl er an den Musikhochschulen Graz und Wien sowie am Konservatorium Zürch (da bei Harald Friedrich) studiert hat, gehört er zu der Generation Jazzmusiker, welche sich die Grundkenntnisse für diese musikalischen Leidenschaft autodidaktisch erworben haben. Also nicht so wie heute, wo junge Leute an einer Fakultät das Know How auf dem Tablett serviert bekommen. Wie geht der Kontrabasslehrer Heiri Känzig bei seiner pädagogischen Arbeit vor? "Bei vielen Problemen, für die ich bei meinen Schülern Lösungen suche, muss ich mich zuerst selbst befragen: Wie mach ich das eigentlich? Wie bin ich eigentlich darauf gekommen? Worauf kommt‘s an? Dank diesen Fragestellungen weiss ich, dass der musikalische Prozess an ein paar wesentlichen Details hängt, die gutes Kontrabassspielen ausmachen." Ich frage naiverweise nach, ob man sich denn nun an der Bassgeige festhalte, wenn man spiele, weil ich bei gewissen Bassisten den Eindruck hätte, sie hängen sich geradezu an ihr Instrument. Känzig wehrt ab: "Der Spieler steht auf jeden Fall auf seinen eigenen Füssen! Sich auf den Bass abstützen und dabei locker spielen, das wäre unvereinbar. Ausnahmen gibt‘s, wenn man vorübergehend mit dem Daumen in hohen Lagen spielt. Ich halte das Instrument, ich klammere mich nicht daran. Es steht im Grunde fast von selbst, ich helfe mit einer leichten Führung, dass es nicht umfällt. Aber die Frage ist berechtigt: Es ist eine der anspruchsvollen Grundfragen beim Bassspiel, wie man steht, wie man die Balance hält, wie man spielt. Bei den Studenten ist das unterschiedlich entwickelt. Es gibt Naturtalente, bei denen stimmt die Haltung von allem Anfang an; andere brauchen Hinweise zu Haltung und Balance und müssen viel Zeit investieren".

In seinen Engagements beim Vienna Art Orchestra spielte Heiri Känzig in letzter Zeit vermehrt Elektrobass. Ich möchte wissen, ob der Wechsel zwischen den beiden Instrumenten nicht auch ein Switchen zwischen ganz verschiedenen musikalischen Welten bedeute. "Ja - denn es sind zwei völlig verschiedene Instrumente. Ich mag aber beide. Die Entscheidung ist immer projektbezogen. Eben komme ich von einem Arena-Konzert von Armin Brunner zurück, da war auch Elektrobass gefragt. Im vergangenen Jahr kam es zu einer Zusammenarbeit mit John Voirol, da spielte ich wiederum viel Elektrobass. Mit dem VAO habe ich ganze Tournéen mit dem E-bass bestritten. Ich unterrichte jedoch ganz gerne akustischen Bass, weil es ein so schönes Instrument ist und sich im Lernprozess ein riesiges Feld auftut. Geht es um eigene Ensembles, so bin ich klar am Kontrabass orientiert. Im Moment sind dies das Duo Lauren Newton/Heiri Känzig und das Heiri-Känzig-Quartett (mit Art Lande p, Paul Mc Candless oboe und Marcel Papaux dr). Da schreibe ich eigenes kompositorisches Material, das sich ganz eindeutig am akustischen Instrument orientiert. Als Leader bin ich für die musikalischen Direktiven verantwortlich -was nicht heisst, die musikalischen PartnerInnen wären nicht an der Gestaltung des musikalischen Prozesses mitbeteiligt. Früher komponierte ich immer am Klavier, also harmoniebezogen, bis ich realisierte, dass ich auf diese Weise immer wieder am gleichen Ort lande. Nun suche ich neue Wege und arbeite kompositorisch direkt am Kontrabass, das heisst ich notiere, was ich mir zuvor selber (er-)spiele."

Welches sind die besonderen Qualitäten des Arbeitsplatzes an der Fakultät 3 Luzern? Heiri Känzig betont, was ich von vielen Seiten immer wieder bestätigt bekomme: In erster Linie gibt der offene musikalische Geist dieser Ausbildungsstätte den Ausschlag. Er garantiert, auf der Basis der Lehrpläne, einerseits die Verschiedenheit im Lehrkörper und andererseits die Entwicklungsmöglichkeiten der AbsolventInnen. Heiri Känzig: "Es hängt damit zusammen, wie man den Begriff Jazz fasst. Wenn dies auf eine so breite Art geschieht, wie es an der Fakultät 3 in Luzern meiner Meinung nach der Fall ist, dann ist Jazz eine gute Basis, um sich in der zeitgenössischen Musik auszubilden und weiterzuentwickeln. Wir haben DozentInnen aus ganz unterschiedlichen Lagern: improvisierende, zeitgenössisch musizierende, rock- und poporientierte, der Jazztradition verpflichtete MusikerInnen. Für mich persönlich, als Musiker wie als Unterrichtender, ist das Suchen nach neuen Ansätzen, Formen und Inhalten ein ganz zentrales Anliegen. In diesem Sinne ist jede Unterrichtsstätte so gut wie die Summe der Lehrenden. Bei den Studierenden hat das zur Folge, dass neben dem Basiswissen und dem handwerklichen Können, welches primär vermittelt wird, persönliche Initiative, Risikobereitschaft und Suche nach Eigenständigkeit gefragt und gefördert werden. Viele unserer AbsolventInnen werden aktive MusikerInnen. Das ist an sich nicht selbstverständlich. So stosse ich in den verschiedensten musikalischen Bereichen auf Namen, die ich von der Fakultät her kenne. Das ist erfreulich."

Heiri Känzig spielt einen Kontrabass, der Mitte des 19. Jahrhunderts in französischer Handwerkstradition entstand. Sein Zweitinstrument ist nur 40 Jahre jünger und vom Sohn desselben Instrumentenbauers erbaut. Warum sind die Streicher immer auf der Suche nach alten Instrumenten? Heiri Känzig: "Wenn man ein gut erhaltenes, altes Instrument spielt, dann besteht Gewähr, dass das betreffende Instrument schon viele Jahre überdauert hat und das Holz nicht mehr schafft‘. Mit solchen Instrumenten kann man auch problemloser reisen. Ausserdem hat die Selektion schon stattgefunden, denn übrig bleiben nur die edlen Exemplare".

Fredi Lüscher, Musiker


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