Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz
Ein Gespräch mit George Gruntz, Präsident der Diplomprüfungskommission an der MHS Fakultät III

Talent und Feuer, Schule und Jazz

oder

Von den Luzernern wird man hören!


George Gruntz - international einer der wichtigsten und bekanntesten Schweizer Jazzmusiker - leitet seit acht Jahren die Jury an den Diplomprüfungen der MHS Fakultät III. Im folgenden Gespräch äussert sich Gruntz über das Profil und die Ausrichtung der Jazz-Fakultät.

George Gruntz, was hatten Sie für einen Eindruck von den diesjährigen Diplomprüfungen?

Einen sehr guten. Ich freue mich jedes Jahr auf diese Tage. Regelmässig gehen für mich in Luzern die Lämpli an“, weil mich die Studenten und Studentinnen immer wieder überraschen können. Ich bin oft völlig hingerissen von den musikalischen Ideen, die ich hier höre.

Sie haben bei dieser Gelegenheit ja auch schon Talente entdeckt und sie gleich engagiert?

Schlagzeuger Fabian Kuratli war der erste, den ich in Luzern vorerst im Rahmen eines Workshops, dann an der Prüfung gehört und für ein Projekt engagiert habe. Ich lud ihn mit seiner Diplomband ein und wir spielten gemeinsam am New Jazzfestival der Migros, anschliessend am Schaffhauser Jazzfestival. Rafi Woll hat auf zwei grossen internationalen Tourneen meine CONCERT JAZZ BAND getrommelt. Mit den Saxophonisten Adi Pflugshaupt und Simon Stirnimann gründete ich mein Sextett "Sax Galore", aus dem bereits viel Nachfolge-Ideen resultierten

Wie würden Sie die Fakultät III charakterisieren?

Das ist eine Jazzschule, die korrekt schult und gleichzeitig alle Fenster offen lässt. Sie schafft hervorragende Voraussetzungen, dass sich die Studenten und Studentinnen auf dieser qualifizierten Basis individuell entwickeln können. Jeder und jede kann seine Persönlichkeit einbringen. Genau das macht den Jazz aus.

Das würde der Meinung widersprechen, wonach Jazz viel von seiner Essenz oder Authentizität verliert, wenn er an einer Schule gelernt wird?

Ich selber habe da auch eine Entwicklung durchgemacht. Vor 30 Jahren war ich ein absoluter Gegner von Jazzschulen. Ich hegte die Auffassung, dass jemand zuerst an einer herkömmlichen Musikakademie sein Instrument richtig lernen müsse. Erst dann könne er, bei genügend Talent und Feuer, ein Jazzmusiker werden. Inzwischen bin ich ein absoluter Fan der Luzerner Jazzschule geworden. Hier ist, wie gesagt, beides vorhanden: Die musikalisch korrekte Basis und ein sehr grosser Freiraum für die persönliche Entwicklung.

Die Lehrpersonen, die meisten von ihnen selber bekannte Musiker, dürften sicher auch ihren Teil zu dieser Ausrichtung beitragen...

....das Lehrkader ist ganz hervorragend. Normalerweise ist es ja so, dass Jazzmusiker, die sich in einer aktiven Karriere befinden, keine Zeit finden, zu unterrichten und oft auch keine Lust haben, sich einer Schuldoktrin unterzuordnen. Aber diese Schuldoktrin, die einengt, die gibt es an der Fakultät III nicht.

Das wäre sicher auch nicht im Sinne der Lehrer und Lehrerinnen.

Die Lehrpersonen haben die Entwicklung zur persönlichen Stimme selber auch durchgemacht und wissen, wie das ist. So unterrichten sie nicht einfach stur nach einem Programm. Eher geben sie, im Sinne von Meistern in der aussereuropäischen Musik, ihre Fähigkeiten an die Studenten weiter. Die Lehrpersonen in Luzern sind ausgezeichnete Solisten, die auch noch gerne Lehrer sind. Ich spüre immer wieder, wie stark sich viele Fachlehrer auch mit jenen Studenten identifizieren, die ganz anders spielen, als sie selber, und eben gerade das schätzen können.

Wie schneidet die Fakultät III im internationalen Vergleich ab?

Hervorragend. An anderen Jazzschulen steht generell ein Lehrprogramm im Mittelpunkt, das diszipliniert durchgezogen wird. So werden die üblichen Kriterien einer Schule erfüllt. Mit seiner gescheiten Kombination hebt sich Luzern - auch international - tatsächlich ab. Es ist mir weder aus persönlicher Erfahrung noch vom Hörensagen eine Schule von dieser Substanz und Freiheit bekannt. Die Basis wird in Luzern keineswegs vernachlässigt. Sie ist und bleibt wichtig. Das wissen auch die Lehrpersonen. Erst wer über eine breite Bildung und Technik verfügt, wird frei spielen können. Wer das nicht hat, wird schnell zum Sklaven des Unvermögens.

Hat sich der Sprung von der ehemaligen Jazzschule zur MHS Fakultät bewährt? Wie erleben Sie das?

Ich sehe keine Unterschiede zu früher. Vielleicht ist das Bewusstsein, dass man es richtig macht, noch stärker geworden. Von der Qualität her war die Jazzschule schon vor zehn Jahren eine Hochschule. Auch die Stimmung ist genau die gleiche: Relaxed, offen und kollegial im besten Sinne. Diese spezifische Grunddoktrin der Schule hat sich nicht verändert. Ich sehe keine Verwässerung oder eine zu strapazierte Akademisierung. Sonst wäre ich gar nicht mehr dabei.

Wie beurteilen sie Qualität an den Diplomkonzerten`?

Es sind Kriterien, die unabhängig vom Instrument gültig sind. Ob jemand ein Thema spielt oder improvisiert: Es geht darum, wie das Talent und das Feuer spürbar werden und zum Ausdruck kommen. Dieses Grundpotential entwickelt sich während der Ausbildung zu einem Punkt, an dem jemand die Kriterien erreicht hat, damit wir als Musiker sagen können: Er ist reif für eine professionelle Karriere. Es geht um diese Einschätzung.

Sie haben eine breite musikalische Erfahrung und sind als Jazzmusiker schon seit Jahrzehnten international in verschiedensten Projekten und Funktionen aktiv. Was sind ihre Tipps für die neu Diplomierten, damit sie sich als professionelle Jazzmusiker behaupten können?

Den Glauben an sich selber nicht aufgeben, auch in schwierigen Phasen. Davon überzeugt sein, dass die Musik, die man spielt, wichtig ist. Und sie auf gar keinen Fall opfern, eher mit etwas anderem Geld verdienen, als seine musikalischen Ideen aufgeben und kommerziell verwässern. Für diejenigen, die sich treu bleiben, wird irgendeinmal der Tag kommen, wo sie ernst genommen werden in dem, was sie machen, und davon leben können. Einfach dranbleiben!

Das Überangebot an ausgebildeten Jazzmusikern ist mittlerweilen gross geworden. Das macht eine professionelle Karriere nicht einfacher.

Nur die besten werden es schaffen und jene, die sich treu bleiben. Andererseits ist der Markt auch grösser geworden. Heute hat praktisch jede mittlere Stadt einen Jazzclub. Vor 40 Jahren war das ganz anders. Wir mussten uns mühsam in die damals noch viel kleinere Szene hineinarbeiten. Es war schwierig, besonders, wenn man nicht einfach die bekannteren Amerikaner nachspielte. Trotz breiterer Szene und mehr rezeptiver Offenheit gilt das noch heute. Und es braucht Selbstvertrauen und jahrelange Arbeit, um der Szene klarzumachen, was man will. Keiner darf hoffen, die Welt warte auf ihn, nur weil zuhause ein Diplom an der Wand hängt. Aber die Welt ist da und von "den Luzernern" wird man hören.

Interview: Pirmin Bossard


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