Hochschule Luzern - Musik, Abteilung Jazz

Jazz - was bleibt? Schweizer Jazz von 1990-2009

Durch die Augen einer neuen Generation
In einem interdisziplinären Projekt haben Studierende aus den Abteilungen Jazz, Graphic und Design die Schweizer Jazz-Geschichte der letzten 20 Jahre aufgearbeitet. Anhand der Festivalchronik des Schaffhauser Jazzfestivals wurde eine Auswahl der zu porträtierenden Künstler getroffen. Entstanden ist eine Ausstellung, welche auf humorvolle Art die Reichhaltigkeit der Schweizer Szene zeigt.

Eine Zusammenarbeit von: Schaffhauser Jazzfestival, Hochschule Luzern - Musik/Design & Kunst, SwissJazzOrama, VEBIKUS


NEU: PRESSE und PHOTOGALERIE

Es ist Sonntag 10. Mai, die Turmuhr hat bereits sieben Mal geschlagen und somit ist die Vernissage der Ausstellung Jazz - was bleibt? Schweizer Jazz von 1990-2009“ eröffnet. Schulter an Schulter stehend werden die verschiedenen Exponate begutachtet. Ein herzliches Willkommen erklingt. Es spricht Urs Röllin, Mitorganisator des Schaffhauser Jazzfestivals, Dozent in Luzern und massgeblich verantwortlich für die Ausstellung Jazz - was bleibt?“. Die weisse Schminke in seinem Gesicht lässt bereits erahnen, was später noch kommen wird, doch beginnen wir am Anfang.

Knapp eine Woche zuvor, am Montag dem 4. Mai, herrschen in den Ausstellungsräumen des Forums Vebikus noch chaotische Zustände. Die Studenten sind am Einrichten“, hiess es. Dementsprechend sieht es auch aus. Roland Wespi, Ramon Landolt und Mario Hänni arbeiten an ihrem Projekt. Der Boden ist übersäht mit Kabeln, die sich im Nirgendwo verlieren. Wir dachten uns, es wäre gemütlich, ein paar Sessel zum Hinhängen zu haben“, erklärt Landolt und Hänni fügt an, dass ein Ort zum Relaxen genau das Richtige sei, um bei der Flut an Eindrücken, welche die Ausstellung vermittelt, abzuschalten. Natürlich ist es nicht bei einem reinen Ort des Hinhängens“ geblieben. Entstanden ist eine Filmstation, die auf vier Bildschirmen vier unterschiedliche Filme zum Thema Jazz zeigt. Mittels Kopfhörer und Mischpult hat man die Möglichkeit, den Ton der verschiedenen Filme einzeln oder überlagert zuzuschalten. Auch Martina Berther, Ursina Giger und Manuel Troller sind mit der Herrichtung ihres Beitrages beschäftigt. Ihnen war es wichtig, den grossen Frauen des Schweizer Jazz einen angemessenen Platz in der Ausstellung zu verschaffen. Die Studierenden haben die Künstlerinnen interviewt und dabei jeweils ein Zitat, welches ihnen für die entsprechende Person bezeichnend erschien, ausgewählt. Zusammen mit einem Foto auf grosse Stoffe gedruckt, sind so sieben eindrückliche Porträts von aussergewöhnlichen Musikerinnen entstanden. Bei diesem Projekt wurde interdisziplinär mit Studierenden aus der Abteilung Grafik und Design zusammengearbeitet. Die im Siebdruckverfahren entstandenen Stoffbahnen stellen somit eine Symbiose aus Design, Grafik und Musik dar. Im Vorfeld tauchte allerdings ein beachtliches Problem auf. Es war gar nicht so einfach, an die Künstlerinnen heranzukommen“, berichtet Giger. Gerade jemand wie Irene Schweizer bekommt jede Woche zig Interviewanfragen und ist deshalb kaum auf ein Studentenprojekt angewiesen“. Das Projekt habe ihnen sehr viel Spass bereitet, bemerkt Berther und fügt an, dass vor allem die Kontakte, die sie knüpfen konnten, sich für ihre Zukunft durchaus als wertvoll erweisen dürften. Urs Röllin sitzt am Tisch und strahlt stoische Ruhe aus. Ich bin stolz auf die Studierenden, sie haben wirklich gute Arbeit geleistet“, sagt er zufrieden. Das Konzept zu Jazz - was bleibt? Schweizer Jazz von 1990-2009“ hat Röllin gemeinsam mit Hämi Hämmerli entworfen. Wichtig ist die Zusammenarbeit zwischen dem Jazzfestival Schaffhausen, der Hochschule Luzern und dem SwissJazzOrama“, betont Röllin. Diese interdisziplinäre Überschreitung ist genau das, was auch den Jazz ausmacht, das Zusammenwirken verschiedener Menschen mit unterschiedlicher Auslegung der Musik.“

Die Ausstellung zeigt, was sich in den letzten 20 Jahren in der Schweizer Jazzszene zugetragen hat. Anhand der Festivalchronik des Schaffhauser Jazzfestivals wurde die neuere Geschichte des Schweizer Jazz bearbeitet. Dabei stellte sich die Frage, wie man Jazz fassen und sichtbar machen kann. Die Integration der Musik ist eine beachtliche Herausforderung, da eine Ausstellung grösstenteils über die visuelle Wahrnehmung funktioniert. Auf humorvolle Art und Weise zeigt Jazz - was bleibt?“ den Reichtum der Schweizer Szene anhand von Film, Musik, Fotografie und Plakaten aus der Sicht einer jungen aufstrebenden Jazzgeneration. Natürlich sei die Ausstellung nicht vollständig, fügt Urs Röllin an. In Schaffhausen sind in den letzten 20 Jahren rund 1000 Musikerinnen und Musiker auf der Bühne gestanden, wovon gegen 40 in der Ausstellung porträtiert werden. Die Idee ist jedoch, dass das SwissJazzOrama nach dem Festival die Ausstellung übernimmt und diese stetig nachführt und komplettiert. So viel zur Vorgeschichte.

Urs Röllin bedankt sich bei allen, die zum Gelingen der Ausstellung beigetragen haben und Hämi Hämmerli, Leiter der Jazzabteilung, betont den grenzüberschreitenden Charakter der Ausstellung. Jazz - was bleibt?“ verbindet Musik, Text, Fotographie und Film zu einem Gesamtkunstwerk. Ausserdem weist Hämmerli darauf hin, dass dieses Projekt den Studierenden zu mehr Weitsicht verhalf. Studiert man Musik in Luzern, so lebt man ein bisschen wie auf einer Insel, abgeschottet von der Aussenwelt. Umso wichtiger sind solche Anlässe, damit die Studierenden aus der Schule rauskommen und etwas Neues ausprobieren“, erläutert Hämmerli. Mit dem Schlusspunkt der Rede setzen Dudelsackklänge ein und sogleich formiert sich ein Reigen männlicher und weiblicher Vampire in Mitten der Gäste. Bei genauerem hinschauen erkennt man die Studierenden unter der Schminke und auch Urs Röllin ist mit dabei. Sich an den Händen haltend bilden die Blutsauger einen Kreis. Man dreht sich nach links, dann wieder nach rechts. Die Dudelsacklänge geben den Takt an. Wobei es die Vampire nicht so genau nehmen mit dem Rhythmus. Die Szenerie erinnert entfernt an Celtic Dance. Dem Publikum gefällts. Und auch die Tänzerinnen und Tänzer können sich den einen oder anderen Schmunzler ab ihrer Leistung nicht verkneifen. Der Ritus des Tanzes ruft die Vampirband auf den Plan, welche sogleich mit ihrer Vorstellung beginnt. Bruno Amstad, Stimme, Hämi Hämmerli, Kontrabass, Christoph Baumann, Piano, und Dominik Burkhalter, Schlagzeug, spielen ein packendes Set. Anschliessend wird der Raum mit all seinen Exponaten vollends den Besucherinnen und Besuchern übergeben.

Jedermann hat nun Zeit, sich intensiv mit der Ausstellung zu beschäftigen. Besonders der Walk of SH-Jazzfestival“ zieht die Blicke auf sich. Diese Installation, welche 19 Bodenplatten aus Plexiglas umfasst, erlaubt es den Gästen, die Geschichte des Schaffhauser Jazzfestivals abzuschreiten. Jede Platte enthält Bild- und Textmaterial zu einem der vergangenen Festivaljahrgänge. Fans und Kritiker diskutieren über die Highlights vergangener Konzerte. Eine Ecke der Ausstellungsräume wurde dem Gemach eines Schlosses zur Zeit der Renaissance nachempfunden. In diesem Zelt befinden sich Porträts der Vampirband. Diese Installation deutet auf die Verbindung zwischen Vampirismus und Jazz hin. Dabei fungiert die Improvisation als verbindendes Glied, da zur Zeit des Vampirglaubens im 17. und 18. Jahrhundert die Improvisation einen wichtigen Bestandteil der Musik ausmachte. Wird der Jazz die nächsten 20 Jahre überleben?“ Dies ist eine der Frage, die mehreren grossen Künstlerinnen und Künstler der Szene gestellt wurde. Übersichtlich aufbereitet und schön illustriert ziehen diese Kurzinterviews viele Gäste an. Es ist interessant zu lesen, dass die Musikerinnen und Musiker ganz unterschiedliche Ansichten pflegen, obwohl sie alle aus dem gleichen Genre stammen.

Normalerweise bekommt jede Ausstellung auch ein eigenes Plakat. Jazz - was bleibt?“ hat gleich deren vier erhalten. Studierende der Abteilung Illustration und Graphic Design haben sich mit der Umsetzung von Musik in Bilder beschäftig und dabei Plakate kreiert, welche auf unterschiedliche Weise den Inhalt der Ausstellung transportieren.

Während in den Ausstellungsräume noch heftig diskutiert wird, machen sich bereits die ersten Gäste über das Buffett her. So geht ein interessanter Abend zu Ende und man stösst auf eine gelungene Vernissage an.

Martin Wanner - Kulturredaktor "schaffhauser az"

Projektleitung: Urs Röllin

Die Studierenden: Lukas Knecht, Ramon Landolt, Francis Lehmann, Manuel Troller, Roland Waespe, Patric Walter, Oliver Widmer, Dominik Flaig, Martina Berther, Ursina Giger, Mario Hänni

Vernissage Sonntag, 10. Mai, 18.30h
13. - 16. Mai, 16.00-23.00h
Forum VEBIKUS


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