Dritter Teil

Durchführen von Unterricht

 

1. Organisation, was geschieht vorher?

Um einen ungestörten Ablauf der Stunde garantieren zu können müssen alle organisatorischen oder technischen Probleme vor der Lektion aus dem Weg geschafft werden. Dazu gehört, dass das Unterrichtsmaterial bereits kopiert ist, dass Ton- oder Videokassetten an den richtigen Ort gespult wurden. Die dafür erforderlichen technischen Anlagen wurden getestet und der Lehrer hat sich mit deren Bedienung vertraut gemacht. Spezielle methodische Geräte wie Spiegel oder Videokamera sind aufgestellt. Ebenfalls wurde eine sinnvolle Positionierung der Instrumente im Raum vorgenommen, sowohl aus optischer wie auch aus akustischer Sicht und der Raum wurde belüftet.

Alle oben erwähnten Anstrengungen dienen dem einen Zweck eine möglichst stressfreie, dem Lernen förderliche Umgebung zu schaffen, damit die Aufmerksamkeit und somit die Aufnahmefähigkeit erhalten werden kann. Bereits kleine Details wie eine flackernde Neonröhre, eine lärmende Lüftung, ein Blick aus dem Fenster, ein überheizter Raum, eine schlechte Akustik können schon genügen, um den Faden der Konzentration abreissen zu lassen. Nur wenn die Aufmerksamkeit bei der Materie gehalten werden kann, lässt sich die Energie während einer Stunde auf einem Niveau halten, das der Lernsituation förderlich ist.

 

2. Ablauf, wie gehe ich vor?

Dies ist ein Versuch einer schematischen Darstellung einer aus didaktischer Sicht kompetent abgehaltenen Lektion. Sie beinhaltet wohlgemerkt sozusagen nur die technischen Aspekte des Unterrichts und nicht die kommunikativen und emotionalen Teile die sehr entscheidend für die Qualität einer Stunde sind. Auch muss betont werden, dass sie lediglich eine Möglichkeit von vielen ist, einen pädagogisch wertvollen Unterricht abzuhalten. Dies voraus-gesetzt behaupte ich aber, dass das folgende Beispiel vorbehaltlos gut ist!

• Begrüssung

• Abklären was alles geübt wurde

• Stundenplanung kommunizieren

• Erstes Thema

- Aufgabe stellen

- vorspielen lassen

- Selbsteinschätzung provozieren

- Feedback geben

- Probleme ansprechen

- Korrekturen zeigen und erläutern

- neues Ziel formulieren

- weiterführende Aufgaben stellen

- exemplarisch üben

• Rückblick auf Leistungen in dieser Lektion

• Ausblick auf die nächste Lektion

• Verabschieden

 

% zweites / drittes Thema

 

 

 

 

dal %

 

3. Informationspolitik, was teile ich mit?

Der Schüler sollte zu jedem Zeitpunkt im Bild sein, in welchem gröberen Rahmen er sich gerade bewegt. Er sollte sich wohl fühlen und merken, dass er geführt wird, dass jemand, der den Weg kennt, ihn begleitet. Deshalb ist es sehr wichtig, dass er über die langfristige Route, die aktuellen Themen, den heutigen Unterrichtsablauf und das konkrete Ziel der gegenwärtigen Übung in Kenntnis gesetzt wird. So kann er sich unbeschwert dem Lehrer anvertrauen, im Wissen dass alles seinen eigenen Zielen dient.

Verschweigen von Schwierigkeiten oder Abläufen sollte nur bewusst und aus gut überlegten Gründen eingesetzt werden, etwa um Spannung in die Dramaturgie der Stunde zu bringen oder um den Schüler von hemmenden Gedanken zu bewahren.

 

4. Unterrichtstempo, wie schnell gehe ich vorwärts?

Durch Standortbestimmungen, die hin und wieder eingelegt werden sollten, lässt sich feststellen ob der Schüler in seinem Tun überfordert oder vielleicht unterfordert wird. Ein produktiver Unterricht arbeitet mit den Ressourcen des Schülers. Er sollte fordernd aber nicht überfordernd sein. Das Lerntempo kann einzig von der Aufnahmefähigkeit oder Aufnahmebereitschaft des Schülers abhängen und sollte nie vom Arbeitsrhythmus des Lehrers oder von vorhandenem oder nicht vorhandenem Material diktiert werden. Der Schüler muss dort abgeholt werden wo er sich befindet. Überspringen von Grundlagen rächt sich in einem mühseligen, stagnierenden Unterricht, der beide Parteien auf die Dauer zermürben kann.

 

5. Multitasking, arbeiten auf verschiedenen Ebenen

Ich habe bereits betont, dass es sehr wichtig ist, den kognitiven Teil des Lernens dem Schüler mitzuteilen, damit er bewusst erfahren und kontrolliert werden kann. Das Erlernen von Fähigkeiten insbesondere das Spielen eines Instruments ist jedoch derart komplex, vielschichtig und beinhaltet derart viele verschiedene Teilgebiete, dass diese unmöglich alle separat und bewusst erlernt werden können. Es ist wichtig zu erkennen, dass der Körper gesamtheitlich lernt und nie nur ein Sache aufs Mal. Entsprechend der Organisation des Gehirns, wo Information nicht isoliert behandelt wird, sondern innerhalb eines gigantischen neuronalen Netzes immer in den unterschiedlichsten Bezügen zueinander steht, verändert, ergänzt und beeinflusst wird, werden die verschiedenen Teilbereiche des Musizierens als ein Ganzes aufgenommen und weitermoduliert. Deshalb sollte auch im Unterricht darauf geachtet werden, dass all diejenigen Bereiche, die nicht als primäres Ziel definiert werden trotzdem sinnvoll ausgewählt werden. Denn obschon die Aufmerksamkeit nicht bewusst darauf verwendet wird, werden all diese Elemente mitgelernt, ob wir wollen oder nicht.

Es gibt in der Musik sehr viele Aspekte, die, müsste man sie isoliert erwerben, sehr zeitraubend und nicht besonders spannend zu lernen sind. Formempfinden, Körper-empfinden, Konzentration, Time um nur einige zu nennen. In der Durchführung von Unterricht sollten diese Elemente deshalb immer mitverpackt werden. Im konkreten Fall von formalen Aspekten macht es zum Beispiel wenig Sinn eine Zeit des Unterrichts ausschliesslich dazu zu verwenden, um mit dem Schüler 8-Takteinheiten durchzuzählen. Er sollte natürlich in der Lage sein es zu tun beziehungsweise, geeignete Zählmethoden kennen, doch das formale Empfinden lässt sich auch beiläufig schulen indem konsequent alle Übungen in zwei/vier oder achttaktigen Formen durchgeführt werden. Ähnliche, dem Spiel übergeordnete Themen die sich auf diese Weise mitverpacken lassen sind Dynamik, Zusammenspiel, Ausdauer, Haltung, Urteilsfähigkeit und positive Grundeinstellung.

 

6. ein Kurzbeschrieb der Unterrichtsmethoden

In der Theorie werden verschiedene Lehrmethoden unterschieden. Jede hat in der Praxis andere Vorzüge und bringt für den Lehrenden verschiedene Stufen von Kontrolle, Flexibilität oder Möglichkeiten sich einzubringen.

erarbeitendes Verfahren

Der Lehrer kontrolliert die Situation und gibt das Tempo und die Richtung vor. Der Schüler kann sich getrost unter die Fittiche des Lehrers begeben und hat sich nicht mit übergeordneten Dingen zu beschäftigen.

Modell-Mehtode

Der Schüler imitiert die Handlungen des Lehrers. Beobachten und Zuhören steht im Vordergrund. Auffassungsgabe wird mittrainiert.

darstellendes Verfahren

Verbale Erläuterungen sollen Hintergründe zu den zu erlernenden Aktionen vermitteln. Ideal um grössere Zusammenhänge zu verdeutlichen, neue Konzepte einzuführen.

aufgebendes Verfahren

Fördert die Selbständigkeit des Schülers. Kann gut eingesetzt werden um den Schüler stärker in den Ablauf mit einzubeziehen. Fachlich eignet sich diese Methode, um behandelte Themen weiterzuführen oder erlernte Fähigkeiten anzuwenden.

entdeckendes Verfahren

Der Schüler soll an eine Entdeckung herangeführt werden. Selbst entdeckte Sachverhalte werden nicht wieder vergessen. Sie hinterlassen den tiefsten Eindruck. Allerdings ist diese Methode zeitaufwendiger.

Dialog-Methode

Verbale Kommunikation steht im Vordergrund. Eignet sich deshalb eher für die Vermittlung von Wissen als von Können. Der Schüler sollte dabei ein ebenbürtiger und kollegialer Gesprächspartner sein.

spielerische Methode

Der Lehrer fordert den Schüler auf spielerischer Ebene heraus an sich zu arbeiten. Im Zusammenspiel kann er gut fachliche Akzente setzen und zusehen, ob und wenn ja, was der Schüler aufzuschnappen in der Lage ist. Diese Methode kann sehr nützlich sein um verschiedene neue Interessensgebiete abzuchecken oder auch um den freien Umgang mit erlernten und improvisatorischen Fähigkeiten zu fördern.

Es ist sehr nützlich sich ein Repertoire von Unterrichtsmethoden anzueignen und sich von Zeit zu Zeit einen Überblick über die im eigenen Unterricht tatsächlich eingesetzten Mittel zu verschaffen. Zu diesem Zweck habe ich eine Tabelle entworfen, die im Fünften Teil: Hilfsmittel für den Unterrichtenden abgedruckt ist.


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