I Reflexionen,

Erfahrungen lehren die Theorie

 

Erster Teil

meine Erfahrungen mit Unterricht

Sowohl als Schüler als auch als Lehrer lassen sich aus pädagogischer Sicht sehr wertvolle Erfahrungen sammeln, die in die eigene Lehrtätigkeit einfliessen. Der musikalische Werdegang gibt Aufschluss über gewisse Entwicklungen und Hintergründe die für das Wachsen als Pädagoge von Interesse sein können.

 

1. mein musikalischer Werdegang

Geboren 1969, hatte die Musik schon in der Kindheit einen festen Platz in meinem Leben. Zunächst galt die Aufmerksamkeit dem Klavier, mit 13 Jahren kam das Schlagzeug dazu. In der Schulzeit besuchte ich den regulären Instrumentalunterricht. Nach der Matura absolvierte ich zuerst ein Intensivjahr im 'Drum Studio' in Bern, um dann die gewonnenen Kenntnisse am 'Drummers Collective' in New York zu vertiefen.

Musikalisch begann der Weg bei Klassik, Pop & Soul und erhielt immer mehr Jazzeinflüsse. Als Performer habe ich seither in den verschiedensten Settings gespielt. Die Palette reichte dabei von improvisierter Modern-Dance-Begleitung mit Percussion über Independent Bands, Jazz Combos zu Party- und Unterhaltungsbands bis hin zu Musical-produktionen. Zunehmend kamen auch Produktions-, Kompositions-, Arrangier- und Recordingtätigkeiten für Bands, Radio-Jingles, Musical, und Film hinzu.

 

 

Musikalische Ausbildung

 

1976-89 Klavierunterricht an der Musikschule

Muri Gümligen (klassisch)

1981/82 Selbststudium Schlagzeug

1982-90 Schlagzeugunterricht am Drum & Percussion

Studio René und Doris Diggelmann*, Bern

1988/89 Belegung des Faches Musik als Kernfach für

das Maturitätszeugnis

1990/91 klassischer Klavierunterricht privat bei Dori Reinli, Muri

1991 Intensivlehrgang für Schlagzeuger am Drum & Percussion Studio René und Doris Diggelmann*, Bern

1992 Abschluss des Certificate Programm am

Drummers Collective New York City

1994/95 JSL-Prüfungsvorbereitung bei Fabian Kuratli, Bern

1995-99 Berufsklasse Jazzschule Luzern

 

 

 

 

*Es besteht keinerlei Verwandtschaft mit den aufgeführten Personen

 

2. persönliche Erfahrungen als Schüler

Als Schüler stand ich bereits in den folgenden Unterrichtssituationen, wobei die Dauer der einzelnen Kurse von einmaligen Zusammenkünften bis zu mehrjährigen Unterrichtsphasen reichte:

• Einzelunterricht

• Gruppenunterricht

• Masterclasses

• Workshops

• Meisterkurse, Intensivwoche

In meiner Laufbahn bin ich auf zwei grundsätzlich verschiedene Lehrertypen gestossen.

 

2.1 erfahrene Musiker als Pädagogen

Es gibt viele kompetente Musiker die schlechte Pädagogen sind. Die meisten von ihnen sind es, weil sie in ihrer Laufbahn nie so gearbeitet haben wie es den meisten Lernenden antrainiert wurde. Entweder sie waren dermassen auf Trab, dass sie immer und überall restlos alles erarbeitet haben. Wer auf diese Weise lernt, bei dem spielt Didaktik eine untergeordnete Rolle. Oder aber sie waren so begabt, dass sie kaum geübt, sondern sich die Fähigkeiten auf spielerische Weise angeeignet haben. Viele dieser Musiker gehen sehr intuitiv in ihrem Erarbeiten von Fertigkeiten vor. Eine Methode die sich nicht in Worte fassen lässt und die für jeden wieder verschieden ist. Ein solcher Lehrer kann oft gar nicht verstehen, dass überhaupt Probleme auftauchen und hat deshalb auch kaum Lösungen zu bieten. Der Schüler ist da viel mehr herausgefordert solchen Musikern trotzdem die gewünschten Informationen zu entlocken. Oft verfügen aber gerade diese Lehrer über immense Erfahrungen und vermitteln Philosophien, Einstellungen, praktische Tips und Branchenwissen, was ebenso wertvoll ist wie fachliche Details.

 

2.2 didaktisch ausgebildete Lehrer

Man spürt, dass so ein Lehrer dem Umgang, der Kommunikation viel Gewicht beimisst. Er schafft bewusst Vertrauen und damit eine positive Arbeitsgrundlage, in der Stress vermieden wird. Er führt den Unterricht strukturiert durch und präsentiert das Material in geordneter Form. Ist er zudem fachlich kompetent, kann man sich für die vereinbarte Unterrichtszeit voll und ganz seinem Unterrichtskonzept hingeben, im Wissen, sich nicht um grössere Zusammenhänge kümmern zu müssen. Es kann für gewisse Phasen sehr entspannend sein, einfach mal zu akzeptieren, dass das was einem da geboten wird uneingeschränkt gut für einen ist. Kein grübeln 'soll ich...? kommt das gut...? müsste ich nicht zuerst dies...? ist das der richtige Zeitpunkt...?'

Egal wie didaktisch versiert oder fachlich kompetent ein Lehrer ist, bin ich der Meinung, dass es sehr sinnvoll ist nach abgeschlossenen, grösseren Perioden einen Lehrerwechsel vorzunehmen. Es erleichtert das Aufnehmen von neuen Ideen, das Erkennen von Perspektiven und das Aufgreifen von frischen Impulsen.

 

3. persönliche Erfahrungen als Lehrer

Ich habe als Lehrer in folgenden Unterrichtssituationen gestanden, die ebenfalls von einmaligen bis zu mehrjährigen Unterrichtsphasen gereicht haben:

• Einzelunterricht

• Gruppenunterricht Anfänger und Fortgeschrittene

• Intensivkurse

• Informations-/Vortragsabend

Jede dieser Unterrichtsformen hat ihre ganz speziellen Besonderheiten und eine eigene Dynamik, die ich oft erst hinterher erkannt habe. Das Wissen um diese Charakteristika schafft viele Möglichkeiten und Ansatzpunkte Lektionen zu gestalten. Es kann die Vorbereitung und Durchführung von Unterricht erheblich vereinfachen.

 

3.1 Einzelunterricht

Die eins zu eins Situation verlangt besonderes Fingerspitzengefühl. Jeder Schüler will individuell angepackt werden und Motivation, die treibende Kraft von Fortschritt, wird bei jedem durch andere Dinge genährt. Auftreten, Raumverhalten und Kommunikations-formen haben in dieser Konstellation die ausgeprägteste Wirkung. Sie müssen deshalb kontrolliert und fachkundig eingesetzt werden.

 

3.2 Gruppenunterricht mit Anfängern (Lehrerfortbildung)

In dieser speziellen Situation bestand die Gefahr, dass Hemmungen vor und mit anderen (Arbeits-)Kollegen zu spielen, aufgebaut wurden. Die soziale Gruppenhierarchie, die vielleicht innerhalb eines Lehrerkollegiums herrscht, drohte plötzlich umgekrempelt zu werden oder es entstand für einzelne Personen Druck, ihr auch in dieser speziellen Situation, in der andere Fähigkeiten im Vordergrund standen, gerecht zu werden. In jedem Falle bot sich aber eine grosse Chance, genau aus solchen festgefahrenen Rollen auszubrechen, die nach meiner Einschätzung auch oft genutzt wurden. Gelingt es die vorhandenen Energien in eine gemeinsame Richtung zu kanalisieren, entstehen emotional sehr wertvolle Kollektiv-erlebnisse!

 

3.3 Gruppenunterricht mit Fortgeschrittenen

Gelingt es in einer motivierten und arbeitswilligen Gemeinschaft einen Kollektivgeist zu wecken, bei dem alle von allen zu profitieren versuchen, entwickeln sich solche Gemeinschaften zu unheimlich produktiven Teams. Die Gefahr Konkurrenzsituationen entstehen zu lassen ist aber latent. Eine gewisse Homogenität innerhalb der Gruppe und Einigkeit in den zu verfolgenden Zielen ist unabdingbar. Dies ist unbedingt beim Zusammen-stellen der Gruppe zu beachten.

 

3.4 Intensivkurs, einwöchig 4 Std. täglich

Bei solch intensiven Zusammenkünften ist es unablässig mit den vorhandenen Ressourcen zu arbeiten. Die Arbeitsweise verlagert sich und beinhaltet viel exemplarisches Üben, es geht sogar einen Schritt weiter: Das eigentliche Verarbeiten von Unterrichtsstoff wird einbezogen. Es ist für diese Form von Unterricht auch eine gute Idee, Übungsroutinen und Ausdauer zu thematisieren.

 

3.5 Informations- / Vortragsabend

Organisation, Vorbereitung, eine gewisse Souveränität und minimale rhetorische Fähigkeiten stehen in dieser Unterrichtsform im Zentrum. Dies ist eine Form, bei der man sich am wenigsten auf Interaktion und Inputs seitens der Teilnehmer verlassen kann. Man sollte sich darauf einstellen, die ganze Zeit alleine zu bestreiten. Auftauchende Fragen lassen sich leicht einbeziehen. Hingegen ist es schwierig, fehlenden Unterrichtsstoff spontan zu strecken.


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